Zwölfte Übung – Dreistimmige Klänge
Arbeitsmaterial

1 – Töne

Die zwölf chromatischen Halbtöne innerhalb einer Oktave mit ihren Wiederholungen in höheren und tieferen Oktaven sind, wie im zwei­stimmigen Satz, auch für drei- und mehrstimmge Konstruktionen das Tonmaterial, aus dem wir Melodien und Harmonien bilden.

2 – Zusammenklänge

Beim horizontalen Aneinanderreihen von Tönen zu Melodien gibt es in vielstimmigen Sätzen keine anderen Möglichkeiten als diejenigen, welche uns beim Bau einstimmiger Linien leiten. Auch sehr komplizierte Melodiebögen lassen sich immer wieder auf die wenigen melodischen Grundtatsachen des Zellen- und Feldaufbaus, des Melodiestufenganges, des Sekundganges und alle sich daraus ergebenen Kombinationen und Abwandlungen zurückführen. Erklingen mehrere Linienzüge zu gleicher Zeit, so ist in rein melodischer Hinsicht ein solches Linienbündel nichts weiter als eben das Zusammenklingen mehrerer Einzellinien. Jede von ihnen folgt den bekannten Gesetzen der Melodiekonstruktion, und es entstehen durch ihr Zusammenwirken keineswegs neue melodische Effekte oder übergeordnete melodischen Einheiten, die etwas mit anderen Maßstäben gemessen werden müßten.

Die Harmonien hingegen, welche in einem solchen Linienkonglomerat in jedem Punkt seines Verlaufes sich ergeben, sind nicht auf diese einfache Weise zu verstehen: Sie sind nicht lediglich eine Summe von übereinanderstehenden Einzeltönen oder Einzelintervalle, deren Gesamteffekt durch ihrer summierten Einzeleffekte zu erklären wäre. Jeder sich ergebene Zusammenklang von drei oder mehr Tönen bildet vielmehr eine, den bloßen Einzelintervallen gegenüber höhere Einheit mit ganz spezifischen Eigenheiten, die genau erkannt werden müssen, wenn man eine ihnen entsprechende Behandlungsweise entwickeln will. Gegenüber den elf echten zweistimmigen, aus je zwei verschiedenen Tönen bestehenden Intervallen – von denen wir überdies nur die sechs Intervalle der Gruppe A als reguläre, unab­hängige Harmonien benützen –  erhöht sich im dreistimmigen Satz die Harmonieanzahl auf 55 mögliche reguläre dreistimmige Klänge, d. h. solche, die aus drei verschiedenen (unverdoppelten) Tönen bestehen.

Wir werden allerdings auch hier vorerst nur eine kleine Zahl besonders geeigneter Klänge bevorzugen, so dass wir weder durch die Menge neuen Materials noch durch seine Kompliziertheit vor schwierige Probleme gestellt werden. Immerhin erweitern sich aber auch bei der Beschränkung auf wenige Zusammenklänge mit dem Schritt vom zweistimmigen zum dreistimmigen Satz die harmonischen Möglichkeiten und die daraus entspringenden Satzprobleme in beachtenswerten Maße.

Die Zusammenklänge im dreistimmigen Satz sind von zweierlei Art. Die eine haben wir schon arbeitend kennengelernt: sie besteht aus Intervallen der Gruppe A des zweistimmigen Satzes, die den Forderungen des dreistimmigen angepasst werden, indem man einen ihrer Töne verdoppelt. Auch die Verdreifachung eines Tones im Einklang oder in der Oktave gehört hierher. Alle diese Klänge werden späterhin besprochen. Die zweite Art besteht aus den oben erwähnten echten dreistimmigen Klängen.

Wollen wir von den echten dreistimmigen Klängen, getreu dem oben geäußerten Vorsatz, eine kleine Zahl besonders geeigneter abson­dern, so kann es sich vernünftigerweise nur um die einfachen unter ihnen handeln, und nach den Erfahrungen mit den Intervallen des zwei&stimmigen Satzes liegt es nahe, als die einfachsten Klänge diejenigen anzusehen, zwischen deren drei Tönen sich wiederum aus­schließlich Intervalle der Gruppe A spannen. Es gibt nur sechs Klänge, die dieser Anforderung genügen:

Regel 70 Für den dreistimmigen Tonsatz verwenden wir ausschließlich die Grundklänge: Imaj, Imin, bVImaj, VImin, IVmaj und IVmin.

Diese sechs Klänge sind nicht nur infolge ihrer Zusammensetzung auf Intervallen der Gruppe A die einfachsten aller Klänge, sie sind oben­drein die direkten Abbilder oder unmittelbaren Abwandlungen naturgegebener Klangtatsachen, sie sind als harmonische Einzeler­scheinungen ebenso wie als Teile tonaler Abläufe durchaus eindeutig und selbständig, und ent­wicklungstechnisch gesehen, sind die das ursprüngliche Harmoniematerial.

3 – Tonfunktionen

Wir haben schon mehrfach erfahren, dass der Einzelton nur als Bestandteil eines harmonischen oder melodischen Intervalls musikalische Bedeutung hat. Da aber schon im einzelnen Intervall der Gruppe A aus physikalischen Gründen die beide Töne trotz ihrer unzertrennlichen Intervallzusammengehörigkeit verschiedene Grade der Wichtigkeit einnehmen und zweierlei Tonfunktionen ausüben, so müssen sich auch im Klang trotz der Intervalleinheit der den Klang bildenden Intervalle verschiedengeartete Tonfunktionen feststellen lassen, deren Gebundensein an einzelne Klangtöne in von Fall zu Fall wechselnder Form jedem Einzelklang sein spezifisches Gepräge gibt. In Analogie der Intervalle aus der Gruppe A, dessen Töne je zwei verschiedene Funktionen ausüben konnten (Grundton, Ergänzungston), lässt sich leicht verstehen, dass mit der Erweiterung des zwei- zum dreistimmigen Klang auch eine Vermehrung der Tonfunktionen eintreten muss.

Die wichtigste Tonfunktion, welche ein Klangton ausüben kann, ist die des Grundtones. Im Intervall der Gruppe A wurde die Grundton­funktion eines der beiden Töne durch eine ihn bevorzugende Kombinationstonkonstellation begründet. Da unsere Klänge ausschließlich aus Intervallen der Gruppe A bestehen, können wir die Fähigkeiten eines der Klangtöne, als Klanggrundton zu fungieren, von den Tönen abhängig machen, die in den konstituierenden Intervallen als Grundtöne fungieren. Das kann leicht geschehen, wenn wir uns der Werte­ordnung der Intervalle (Reihe 2) bedienen: Die den Klang bildenden Intervalle sind von ungleichen Wert; das höchstwertige unter ihnen wird notwendigerweise unsere Aufmerksamkeit mehr als die beiden anderen an sich fesseln, sein Grundton wird leichter als die der anderen als hervortretend empfunden und folglich leicht als Grundton des ganzen Klanges verstanden werden. Der Grundton ist grund­sätzlich der wichtigste Ton im Klang. Nicht nur ist er das physikalische Zentrum des Klanges, er ist obendrein der Ton, welcher am leich­testen die Bedeutung des Klanges im tonalen Gesamtverlauf kundgibt, und deshalb wird er ebenso wie die Intervallgrundtöne des zweistimmigen Satzes als einzeltönige Vertreter des Gesamtklanges in den Stufengang versetzt.

Der nächst dem Grundton wichtigste Klangton ist der Basiston, womit der tiefstgelegene Ton eines Klanges gemeint ist. Diese Bevor­zugung des Basistones durch seine Lage im Klang macht ihn – wenigstens unter den einstweilen für uns geltenden Bedingungen – jedoch niemals kräftig genug, um dem etwa über ihn liegenden Grundton die Hauptkraft zu rauben; dieser wird stets selbst den günstigst gestellten Basiston an Wert übertreffen. Das Verhältnis beider lässt sich leicht verstehen, wenn wir an die physikalischen Bedingungen in der Körperwelt denken und den Grundton mit dem Schwerpunkt, den Basiston aber mit dem den Körper tragenden Stützpunkt ver­gleichen. Die Lage des Körpers wird immer von der Lage des Stützpunktes abhängen, die Stabilität seiner Stellung aber ist durch die Lage seines Schwerpunktes bestimmt. Klänge können wie die Körper ungemein stabil gemacht werden, lässt man Schwerpunkt und Stützpunkt, Grundton und Basiston zusammenfallen. Rückt der Grundton weit hinauf im Gesamtkörper des Klanges, wird der Klang harmonisch weniger stabil. Da ein Klang nicht nur in der Form auftreten muss, in der alle seine Töne in engstmöglicher Lage beieinander liegen, sondern ohne Veränderung des Basistones seine beiden oberen Töne in weiteren, oktavversetzten Intervallen bringen kann, lässt sich dieses Abrücken des Grundton vom Basiston zu weitgespannten Formen und damit zu erhöhter Unstabilität ausstrecken. Unser noch sehr einfaches Harmoniematerial hindert uns allerdings vorderhand derartige Klänge zu schreiben, die eine verworrene Klangsituation be­fördern und dadurch den ebenen Verlauf unsere Sätze stören.

Außer den Funktionen des Grundtones und des Basistones kann ein Ton noch eine dritte wichtige Funktion übernehmen: Der Scheideton bestimmt den Dur- oder Mollcharakter eines Klanges und kann weder dessen Stabilität und Lagefestigkeit wesentlich beeinflussen, wie es der Basiston tut, noch wirkt er wie der Grundton auf dessen Stellung im tonalen Aufbau bestimmend ein. Er dient in dieser Funktion gänz­lich der Innenorganisation des Klanges.

4 – Klangwerte

So nützlich uns die Kenntnis der Tonfunktionen von Akkordtönen für ein Urteil über Stellung, Spannungsverhältnisse und tonale Möglich­keiten eines Klanges sein mögen, sie sagt uns dennoch nicht genug über seine Innenkonstruktion und über seinen harmonischen Ge­brauchswert. Hierbei müssen wir die ihn bildenden Intervalle befragen.

In jedem unserer Grundakkorde gibt es nach unseren vorangehenden Feststellungen einen Ton, der das Geschlecht des Klanges bestimmt. Im Durdreiklang bildet dieser Ton sowohl mit dem Grundton wie mit dem (identischen) Basiston das Intervall der großen Terz, während im Molldreiklang an gleicher Stelle die kleine Terz steht; wenn nun der das Geschlecht des Klanges entscheidende Ton zu den beiden Haupt-Tonfunktionen im Verhältnis der großen Terz steht, muss nach unserer Wertereihe der Intervalle, der Reihe 2, der ihn enthaltene Klang, selbstredend wertvoller sein als derjenige mit einer kleinen Terz an gleicher Stelle. Die gleichwohl auch im Molldreiklang enthaltene große Terz kann dieser Tatsache nicht entgegenwirken, da sie weder den Grundton noch den Basiston enthält, sondern aus den Tönen geringerer Wichtigkeit besteht.

Im Dursextakkord steht der den Charakter entscheidene Ton – identisch mit dem Basiston – zum Grundton im Verhältnis der kleinen Sext, im Mollsektakktord dem der großen Sext. Auch hier enthält die Durform das höherwertige Sext­intervall, die Mollform das geringere. Die in beiden Klängen enthaltenen Terzen (kleine Terz in Dur, große Terz in Moll) sind trotz ihres höheren absoluten Intervallwertes und trotz der Tatsache, dass sie obendrein noch den Basiston enthalten, nicht imstande, die durch das Verhältnis der kleinen oder großen Sext aus­gedrückte Geschlechtsbestimmung zu ändern; denn die Sexten enthalten den Grundton und den Basiston.

Der Grundton des Durquartsextakkordes bildet mit dem höchstliegenden Klangton die große Terz, an der gleichen Stelle in Moll steht die kleine Terz, womit auch für die beiden Quartsextakkorden die Höherwertigkeit der Durform nachgewiesen ist. Ihre Sexten beeinflussen diesen Entscheid ebensowenig wie die Terzen in den Sextakkorden. Sie sind ohnehin geringwertiger als die entsprechenden Terzen, und außerdem sind sie statt mit dem Grundton mit dem Basiston gebildet, der trotz seiner in einem Quartsextakkord sehr auffallenden Wichtigkeit doch prinzipiell dem Grundton untergeordnet ist.

Sind es also die Terzen und Sexten, die den Dur- oder Mollcharakter eines Klanges entscheiden, so doch nicht jede beliebige Terz oder Sext innerhalb des Klanggebäudes, sondern nur diejenigen, die den Grundton mitenthalten: Grundton und Terz oder Grundton und Sext. Der Dureffekt ist unzweifelhaft mit der den Grundton enthaltenen großen Terz oder ihrer Umkehrung, der kleinen Sext, verbunden, Moll wird durch kleine Terz oder große Sext erzeugt. Um den Dur- oder Mollcharakter von Klängen auszudrücken, sind darum keineswegs voll­ständige Akkorde nötig. Die entsprechenden Intervalle der Gruppe A genügen schon: Große Terz und kleine Sext allein ohne hinzugefügte andere Töne erzeugen ein vollständiges und befriedigendes Durgefühl, kleine Terz und große Sext haben dagegen eine bestimmte Moll­wirkung. Die P5 und P4 sind in dieser Hinsicht neutral und können da angewendet werden, wo keine Entscheidung nach Dur oder Moll beabsichtigt ist.

Obwohl mit allen diesen Erörterungen die Höherwertigkeit der Durakkorde gegenüber den Mollakkorden gleicher Art erwiesen ist, haben wir doch noch keinen Beweis erbracht für die Höherwertigkeit des einen Durakkordes gegenüber einem Durakkord anderer Art, und so­lange das nicht geschah, fehlt und eine genaue Rangordnung der Klänge, ohne deren Kenntnis ein zuverlässiges harmonisches Arbeiten unmöglich bleibt.

Die höchstmögliche Vollkommenheit des Durdreiklanges wurde schon erwähnt. Sein wertvollstes Intervall ist das wertvollste überhaupt, die P5, ihr Grundton ist dazu der Grundton der ebenfalls so hochwertigen großen Terz. Der so gebildete Grundton ist identisch mit dem Basiston, der Geschlecht wird durch die große Terz entschieden – alle anderen Durakkorde können nur geringeren Wert als dieser haben. Dursextakkord und Durquartsextakkord sind beinahe gleichwertig, nur das Zusammenfallen von Basiston und Scheideton im Dursext­akkord gibt diesem das harmonische Übergewicht. Die entsprechenden Erwägungen lassen sich auch für die Mollakkorde anstellen, wo­nach diese in der Wertereihe Molldreiklang, Mollsextakkord und Mollquartsextakkord erscheinen.

Als Gesamtergebnis können wir nun sagen: Die sechs Grundakkorde haben eine feststehende, mit dem Durdreiklang beginnende Rang­ordnung. Ihm folgen die übrigen Akkorde in Ordung der Regel 70 und die Reihe endet mit dem Mollquartsextakkord als dem Klang geringsten harmonischen Wertes.

Arbeitsvorgang

1 – Setzen dreistimmiger Klänge

Werden die aus drei verschiedenen Tönen bestehenden Dreiklänge, Sext- und Quartsextakkorde in der sogenannten engen Lage ange­wendet, die Töne also auf den kleinstmöglichen Höhenumfang zusammengedrängt, so besteht für das Setzen der drei Stimmen keinerlei Problem: die Klängtöne werden nach ihrer vertikalen Abfolge auf die jeweiligen Stimmen verteilt.

In der weiten Lage kann hingegen das Auseinderziehen von Klängen in einer gegebenen, durch den Basiston fixierten, Stellung im Ton­system natürlich nur die beiden Oberstimmen betreffen, da ein Umändern des Basiston auch die Klangart ändern würde. Zwischen Ober- und Mittelstimme kann so viel Raum gelassen werden, dass noch ein (verdoppelter) Ton desselben Klang, gelegentlich auch mehrere, ein­geschoben werden könnten. Für den Abstand der beiden Unterstimmen legt man sich nicht einmal diese Beschränkung auf; sie können so weit voneinander abstehen, wie die beteiligten Singstimmen es ihrem Umfang nach zulassen und den Stimmführungsregeln genügen. Für die beiden Oberstimmen hält man sich an den Höchstabstand einer P8, der in Ausnahmefällen bis zu einer b10 / M10 ausgedehnt werden kann. Allerdings folgt man bei allen Satzarten, wenn nicht ein sehr trifftiger Grund für eine andere Behandlung vorliegt, dem Prinzip, nahe beieinanderliegende Tongruppen in die Oberstimmen zu setzen und die unteren Regionen des Satzes von solchen Tonklumpen frei zu halten.

2 – Klangvorrat einer Tonalität

Der gesamte Bestand einer Tonalität an Dreiklängen, Sext- und Quartsextakkorden beträgt, da zu einem tonalen Verwandtschaftsbezirk die Tonika mit elf Verwandten nach der Reihe 1 gehört und wir sechs verschiedene Akkorde haben, jetzt 72 Akkorde. Der Klangvorrat ist für jedes mögliche tonale Zentrum natürlich immer nur dieselbe Gruppe von zwölf mal sechs Akkorden, und neben der an sich unwesent­lichen Variationsmöglichkeit der Notierung (Enharmonik) unterscheidet sich die Akkordreihe in ihrer Anwendung in anderen Tonalitäten durch ihre gänzlich verlagerte Stellung zum Zentralton der Tonalität.

3 – Setzen von A-Intervallen mit Tonverdopplung

Den Harmoniewert und die Tonfunktionen dieser Zusammenklänge kennen wir zu Genüge vom zweistimmigen Satz her. Die Dreistim­migkeit stellt uns bei manchen von ihnen allerdings vor gewisse Probleme.

A – Quint und Terz mit verdoppelten Unterton

Diese Klänge werden wie vollwertige dreistimmige Klänge verwendet. Nur auf dem Klavier erscheinen sie zweistimmig, was sie dort in der Umgebung von echten dreistimmigen Klängen abgeschwächt erscheinen lässt. Das ist aber keineswegs der Fall bei gesanglicher Aus­führung; hier bewahren sie ihren dreistimmigen Charakter.

B – Quint und Terz mit verdoppelten Oberton

Hier ist der Grundton noch immer stark genug, gegen das mengenmäßige Übergewicht des verdoppelten oberen Tones die Eigenart des betreffenden Intervalls zu erhalten. Abgesehen von der durch die verdickte Oberpartie etwas verminderten Standfestigkeit und weniger intensiven harmonischen Kraft haben diese Klänge ähnliche Harmoniewirkung und dienen darum ähnlichen Zwecken wie die der vorer­wähnten Gruppe.

C – Quart und Sext mit verdoppelten Unterton

Ebenso wie die entsprechenden Klänge des zweistimmigen Satzes sind diese ziemlich schwächliche Gebilde, denen allerdings durch den verdoppelten Unterton etwas Kraft zugeführt wird. Die P4 als selbstständiger Klang dürfte wenig anwendbar sein, ihres Hinneigungs­bestreben zur M3 wegen, und auch die beiden Sexten haben meist nur da Berechtigung, wo die Stimmführung sich der Anwendung eines vollständigen Sext- oder Quartsextakkordes widersetzt.

Eine Mittelstellung nehmen diejenigen Klänge dieser Gruppe einen, bei denen der verdoppelte Unterton oktavversetzt ist. In ihnen tritt zu den unterliegenden schwächlichen Intervallen (P4, b6 und M6) mit obenliegenden Grundton das entsprechende unumgekehrte Intervall mit untenliegenden Grundton (P5, M3 und b3) hinzu. Dadurch gewinnen sie ein wenig an harmonischer Kraft und wirken etwas stabiler als die erstgenannten Klänge dieser Gruppe, ohne jedoch die Stärke derjenigen der Gruppe B zu erreichen.

D – Quart und Sext mit verdoppelten Oberton

Der verdoppelte obenliegende Intervallgrundton bringt die konstitutionelle Unstabilität dieser Gebilde erst recht zu Vorschein. Was bei den Intervallen mit untenliegendem Grundton ihrer Kraft und Standfestigkeit noch besonders unterstreicht (Verdoppelung des Intervall­grundton), erreicht bei den nach dem entgegengesetzen Prinzip gebauten genau das Gegenteil. Solche Konstruktionen finden höchstens dort eine Verwendung, wo in einem sonst aus stabilen Klängen bestehenden Satzverlauf kein anderer Ausweg bleibt.

E – Tonverdreifachung

Auch die Verdreifachung von Tönen wird, da ihre Wirkung so sehr von der der anderen, harmonievolleren Klängen absticht, nur in beson­deren Fällen angewendet werden dürfen.


Fehlerhinweise, Kommentare und Anregungen sind mir herzlich willkommen.

Letzte Aktualisierung: 2012-08-15