Dritte Übung Erweiterte Melodik I | ||||||||||||||||||||
Das Augenmerk dieser Übung wendet sich wieder den melodischen Geschehnissen zu. Den festen Bestand der in der vorangehenden Übung erarbeiteten zweistimmigen Sätze, deren Linienzüge durch die zwischen ihnen sich bildenden Harmonien zusammengebunden sind Grundlage für die folgenden Arbeiten. | ||||||||||||||||||||
Arbeitsmaterial | ||||||||||||||||||||
Das Arbeitsmaterial sind die zweistimmige Sätze, wie sie als Ergebnis der Zweiten Übung vorliegen oder nach den bekannten Vorschriften neu geschrieben werden. Um den zweiten Stimmen eine bewegliche Gestalt zu geben, stehen uns alle Notenwerte zur Verfügung, wobei sich einfache und sinnfällige rhythmische Gruppen anbieten. Die rhythmischen Tongruppen bilden durch der Wechsel zwischen betonten und unbetonten Tönen ein Metrum, das sich einem Takt unterordnet. Hier kann ebenso empfohlen werden, sich den einfachen zwei- und dreiteiligen Taktarten zu bedienen. Notenwerte und Takteinteilung haben zur Folge, dass auch dem Zeitmaß eine Bedeutung zukommt, denn mit ihm kann sich die Bedeutung der Tonfolgen ändern. Ein langsames Zeitmaß lässt dem Ohr die Zeit, jede Satzeinheit aufzunehmen und zu verstehen, wohingegen ein schnelleres Tempo oft nicht gestattet die feinere Gliederung wahrzunehmen; es findet eine summarische Beurteilung statt, die mitunter recht erheblich von der erstgenannten abweicht. Die zweistimmigen Zusammenklänge besitzen neben den bisher besprochenen Eigenschaften, wie Umkehrbarkeit ihrer beiden Bestandteile und der Grundtonfunktion eines ihrer Töne, noch andere bemerkenswerten Eigenschaften, die es ermöglicht, harmonische Bewegung zu erzeugen. Es ist ihre Wertordnung, die ihnen die vielseitige Verwendungsmöglichkeit sichert. Von den innerhalb des Oktavraumes möglichen Zusammenklängen sind P1 und P8 diejenigen, welche im Werte so nahe dem Einzelton stehen, dass sie von ihm kaum zu unterscheiden sind; sie stehen über und außerhalb der Reihe verschiedentöniger Intervalle, die mit der P5 beginnt. Hinter diesem Intervall gruppieren sich in absteigendem Werte als eine geschlossene Gruppe wertvoller Zusammenklänge die restlichen fünf Klänge, die als Intervallmaterial in der zweiten Übung Verwendung fanden: P4, M3, b6, b3 und M6. Diese sechs Intervalle sind bereits unter dem Sammelnamen Gruppe A bekannt. In Gruppe B folgt die Intervallreihe, deren Ordnung erst in der künftigen Arbeit Bedeutung erlangt: M2, b7, b2, M7. Am äußersten Ende, ebenso abgesondert wie P1 und P8, steht das Intervall, welches besondere Eigenschaften besitzt, die im Verlauf der späteren Übungen beschrieben werden: der Tritonus (TT). | ||||||||||||||||||||
Arbeitsvorgang | ||||||||||||||||||||
Die erarbeiteten Beispiele, deren beiden Stimmen bis jetzt in fast sternenhafter Unpersönlichkeit regelhaft, unbeirrt und gefühllos umeinander kreisten sollen in den Bezirk alltäglicher Begriffe von musikalischen Geschehen geführt werden, indem wenigstens eine von beiden Stimmen (die hinzugefügte) in stärkerem Maße melodisch bewegt wird. Für die melodische Ausgestaltung der zweiten Stimme sind folgende Regeln zu beachten:
Beide Regeln dienen dazu, ein Überhandnehmen von Unruhe, die sich mit der vermehrten Bewegung leicht in die Sätze einschleicht zu verhindern. | ||||||||||||||||||||
Es gibt eine Anzahl melodischer Floskeln, die in den Melodien aller Zeiten und Stile vorkommen. Sie entstehen durch eine erste primitive Bearbeitung des Rohmaterials für den Melodiebau, des im Fortschreiten von Ton zu Ton gespannten Intervalls. An ihnen lässt sich studieren, wie die Melodik in das feste Gefüge harmonischer Masse eindringt und sie in Bewegung versetzt. Die harmonische Masse wird gebildet durch die sechs guten Zusammenklänge: P5, P4, M3, b6, b3 und M6. Werden diese Zusammenklänge gestört durch fremde Töne, die ihnen entgegengestellt werden, kann man die ersten unscheinbaren Versuche der Melodik erleben, sich zur führenden Macht zu erheben. Die einfachste der erwähnten Störungen ist das Gebilde TonWechseltonTon: der Wechselton (W).
Für den W gilt die folgende Regel:
Neben dem sekundmäßigen W gibt es noch eine zweite Art; der W ergänzt hier die beiden ursprünglichen Töne zu einem dreistimmigen Klang, einem Dreiklang oder einem mit drei Stimmen schon verständlichen Tritonusklang. Die Störungswirkung solcher akkordischen WW ist nur sehr gering. Sie sind eigentlich gar keine WW, sondern gehören meist in das Gebiet der Melodiebildung mittels Zusammenklänge der Gruppe A. Will man auf Kosten seines übergroßen Harmoniegehaltes seine melodische Bedeutung, also sein Wechseltoncharakter stärken, so ist ein geringer Notenwert und die Stellung auf schlechter Taktzeit noch dringender erforderlich als beim sekundmäßigen W. Eine dritte Art des W, bei dem durch Sprünge Klänge gebildet werden, die über die Grenze der Brechungen von Dreiklängen oder einfachen Tritonusakkorden hinausgehen, wird später unter einem anderen Namen erscheinen. | ||||||||||||||||||||
Zur Darstellung des W, der primitivsten aller melodischen Erscheinungen, bedurfte es nur eines einzigen guten Zusammenklanges, dem er als vorübergehende Trübung eingefügt wurde. Dasselbe ist bei der einfachsten Art einer anderen melodischen Kleinform der Fall, dem Durchgang (D).
Der D kann, wenn der Zielton mehr als eine b3 oder M3 vom Ausgangston entfernt ist, auch zwei oder mehr Töne umfassen. Neben dieser einfachsten entsteht eine kompliziertere Art des D beim Fortschreiten der anderen Stimme von einem Zusammenklang in den nächsten. Der vor dem D stehende Ton gehört dann zum ersten, sein Zielton zum zweiten Zusammenklang. Für die Anwendung des D gelten folgende Anweisungen:
Die betonte Stelle oder den größten Zeitwert im Takt kann er nur dann einnehmen, wenn die Gegenstimme während seines Auftretens noch denselben beibehält, den sie schon zum Ton vor dem D innehatte.
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Die Regeln für den Bau der zweiten Stimme erfahren einige Zusätze und Abstriche, während diejenigen für die Melodievorlage unverändert bestehen bleiben. Aufgehoben werden: Erweitert werden:
Ungültig werden:
Für den Bau der zweiten Stimme kommt hinzu:
Es ist weder gut, in der sequenzhaften Dauerwiederholung eines einzigen rhythmischen Motivs das kaum geweckte Leben gleich wieder zu ersticken, noch es in der Vielfalt unübersichtlicher Motivhäufungen zu übersteigern. | ||||||||||||||||||||
Tafeln & Tabellen | ||||||||||||||||||||
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Fehlerhinweise, Kommentare und Anregungen sind mir herzlich willkommen.
Letzte Aktualisierung: 2012-08-15