Dreizehnte Übung Klangverbindungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||
Arbeitsmaterial | ||||||||||||||||||||||||||||||||
Die in der vorherigen Übung aufgestellten sechs Grundklänge und die ebenfalls dort besprochenen A-Intervalle mit Tonverdoppelung sind das Klangmaterial dieser Übung. Diese Klänge werden auf allen zwölf tonalen Zentren errichtet. | ||||||||||||||||||||||||||||||||
Arbeitsvorgang | ||||||||||||||||||||||||||||||||
1 Möglichkeiten der Stimmbewegung Zwei aufeinanderfolgende Töne der Einzelstimme können auf folgende Weise miteinander verbunden sein: die Stimme bleibt vom ersten zum zweiten Ton liegen; sie erreicht den zweiten Ton durch stufenweises Auf- und Abwärtsgehen oder sie erreicht ihn durch einen Aufwärts- oder Abwärtssprung. Unter stufenweiser Bewegung ist stets das Fortschreiten in Halb- oder Ganztonschritten zu verstehen und als kleinster Sprung gilt demnach die b3. Jede der drei Stimmen im dreistimmigen Satz hat diese fünf melodischen Möglichkeiten. Da aber im Zusammenwirken dreier Stimmen Klänge verwendet werden diese Klänge (harmonische Erscheinungen) durch Stimmbewegung (melodische Vorgänge) miteinander verbunden werden müssen, um tonale Gebilde zu erzeugen, so lassen sich zwischen zwei Klängen 125 verschiedene Verbindungsmöglichkeiten finden. 2 Melodische, harmonische und rhythmische Bedeutung der Verbindungsmuster Die Verbindungsmuster sind die kleinstmöglichen Einheiten, in denen das gleichseitige Wirken aller drei musikalischen Bauelemente Melodik, Harmonik und Rhythmik schon spürbar ist, die aber darüber hinaus mit der Gesamtform, die sie aufbauen helfen, nichts gemein haben. Wir wir schon gesehen haben, entstehen selbst in den wenigen aufeinanderfolgenden Tönen von zwei oder drei melodisch ausgebreiteten Intervallen Beziehungen, die sich nicht einfach als die Summierung von Einzeltönen oder von den zwischen je zwei Tönen gespannten Intervallen erlären lassen. Den niedrigsten Grad dieser den Einzeltönen und Intervallen übergeordneten und von ihrer summierten Wirkung wesensverschiedenen nächsthöheren formbildenden melodischen Einheiten haben wir schon in den harmonischen Zellen und Feldern der Melodie einerseits, in den Sekundgängen andererseits kennengelernt. Diese schon höhergearteten Formteile wiederum verhalten sich zu den aus einer Vielheit ihrer selbst gebildeten noch umfassenderen Form ebenso wie ihr eigenes Aufbaumaterial: Auch hier ist der ästhetische Gesamteffekt der Form keineswegs gleich den summierten Einzeleffekten der aufbauenden Formteile. Diese erzeugen stets ein neues, übergeordnetes Formelement, das für das Verstehen der Gesamtform unerlässlich ist. Es ist demnach das Ganze, das die Einzelheiten bestimmt, und keinesfalls die Einzelheit, deren Aussehen und Spezialform die Gesamtform bestimmt und entwickelt und obwohl auf ihre materialistische Beschaffenheit, auf die Machart hin betrachtet eine Komposition tatsächlich nichts anderes als eine Folge von Fortschreitungen der angegebenen Art ist, vermag das Aneinanderreihen einer gewissen Anzahl von Urverbindungen noch kein ästhetisches Kunstwerk schaffen. Die vorliegende Übung dient allein zur klaren Erkenntnis der grundlegenden technischen Handgriffe. Die Tätigkeit der melodischen und harmonischen Energie, die später beim Bau ausgedehnterer Formen unser fast ausschließliches Diskussionsthema bilden wird, kann hier, wo beide sich ja nur zu einem sehr geringen Grade entfalten dürfen, mit kurzen Worten erledigt werden. Außer dem bloßen linearen Fortschreiten von Ton zu Ton entwickeln sich keinerlei melodische Erscheinungen; die übergeordneten Zellen-, Feld-, Sekundgang- und Melodiestufengang-Probleme können der Kürze der Verbindungen wegen noch nicht auftreten. Diese einfachste melodische Stimmenfortschreitung wird durch die entsprechenden Vorschriften geregelt werden, und auch für das Harmonische, das sich ja noch gar nicht auf der umfangreichen Basis der tonalen Verwandtschaften ausbreiten kann, werden diesselben Vorschriften genügen. 3 Rhythmische Ordnung Zusammenfassung 4 Stimmführung und Klangfortschreitung Die nun folgenden Vorschriften regeln sowohl der Verhalten der Einzelstimmen wie auch die Bewegung der Harmonie von Klang zu Klang. Die 125 Verbindungsmuster unterscheiden sich in der Bewegung der sie darstellenden Stimmen ein- mal durch die Richtung eine Stimme bewegt sich entweder auf- oder abwärts und zum anderen durch den Höhenunterschied zwischen Ausgangs- und Zielton (Schritt Sprung). Soweit die Bewegung jeder der drei Einzelstimmen in Frage kommt, blieben folgende Regeln aus der Ersten Übung in Kraft oder erfahren Abstriche:
Aus der Zweiten Übung werden unverändert übernommen: Die Regeln zur Parallelführung erfordern aufgrund der andersgearteten Natur des dreistimmigen Satzes nachfolgend eine Neufassung.
Der Eindruck der Unstabilität, den diese Führungen in der Zweistimmigkeit erwecken, verbunden mit dem unselbständigen Koppeleffekt der beteiligten Töne, verliert sich in der dreistimmigen Fassung völlig. Was auch immer die hinzugefügte, an der Parallele nicht beteiligte Stimme tun mag, ob sie liegenbleibe oder sich bewege, in allen Fällen wird die vollere Klangharmonie, die zum mindesten zu einer der Quarten tritt, die Aufmerksamkeit vom Koppeleffekt der Parallele ablenken. P4-Parallelen zwischen den beiden Außenstimmen vermeiden wir auch jetzt noch. Die Auffälligkeit der Parallelführung in Außenstimmen kann im dreistimmigen Satz durch keinerlei Mittel abgeschwächt werden.
Verdeckte Quarten verlieren durch das Hinzutreten der dritten Stimme gänzlich ihre Auffälligkeit und sind daher bedingungslos zugelassen.
Weder sollen sie zwischen Mittel- und Oberstimme erscheinen noch zwischen beiden Unterstimmen oder den Außenstimmen. Der untenliegende Grundton der P5 hat so sehr das Übergewicht, dass der Begleitton kaum über das Wesen eines grundtonverstärkenden und -bestätigenden Obertones hinauskommt; dadurch kommt der Parallelgang uns als zwar harmoniegefüllte, aber doch zu deutlich einer einzigen Linie untergeordneten Kopplung zum Bewusstsein. Auch die Gegenbewegung einer dritten Stimme schwächt diesen Eindruck nicht genügend ab.
Die dritte Stimme, wie auch immer sie sich bewegen möge, nimmt stets den Effekt starken Hindrängens zur grundton-überbetonten P5 hinweg. Die beiden Außenstimmen müssen dagegen von der auffälligen Fortschreitung freigehalten werden.
Da schon die Koppelwirkung eine P5-Parallele die Stimmselbständigkeit einer Verbindung fast zunichte macht, ist die P8-Parallele natürlich noch weniger empfehlenswert.
Aus einem kleineren Intervall aufwärts sind sie in den beiden Außenstimmen gut, wenn die Unterstimme stufenweise geht und eine der beiden Sexten der Oktave vorausgeht. Die starke Entschiedenheit solcher Führungen kommt der zusammenfassenden Kraft der Rahmenstimmen sehr zugute. Mit dem mehr ausgeglichenen, weniger auffälligen Verlauf, den eine der beiden Außenstimmen gemeinsam mit der Mittelstimme ausführt, verträgt sich der Zieldrang der verdeckten Oktave dagegen schlecht; man behandelt die Stimmengruppen Oberstimme-Mittelstimme und Unterstimme-Mittelstimme in bezug auf diese Fortschreitung nach der ursprünglichen, für die Zweistimmigkeit festgelegten Vorschriften. Verdeckte P8-Parallelen, in denen ein anderes Intervall als eine Sext der Oktave vorausgeht, haben trotz stufenweiser aufwärtsgehender Unterstimme einen so stark zwingenden Drang nach ihrem Ziel, dass sie selbst in den beiden Außenstimmen als störend empfunden werden und daher nicht angewendet werden. Fortschreitungen nach unten aus irgendeinem Intervall in die P8 sind in den Außenstimmen gut, wenn wie beim vorerwähnten Erreichen der P8 von unten die Unterstimme hier die Oberstimme stufenweise geht. In den Stimmpaaren Oberstimme-Mittelstimme und Unterstimme-Mittelstimme schreibt man auch im Abwärtsgehen nicht dergleichen Führungen.
Sie sind im dreistimmigen Satz harmlos, da die ihnen anhaftende akkordische Wirkung, welche dem melodischen Vorwärtsdrang einer Verbindung hindernd im Wege steht, durch das Beteiligtsein der dritten Stimme unbedingt sehr zurückgedrängt wird, besonders wenn diese in Gegenbewegung zur Parallele geführt wird.
Im zweistimmigen Satz waren diese Klangzerlegungen teils gänzlich ausgeschlossen, teils nur bedingt zugelassen. Wenn der Grund für diese Maßnahme im Nichtfortschreiten der Harmonie von einem Intervall zum nächsten zu sehen war, so ist gegen solche Intervallverbindungen nichts einzuwenden, sobald sie zu einem Harmoniewechsel gezwungen werden können. Das kann durch die dritte, die hinzugefügte Stimme geschehen: wenn immer zwei nebeneinanderliegende Stimmen oder auch die beiden Außenstimmen einen gebrochenen, aus vier Tönen bestehenden Akkord bilden (was durch ein Liegenlassen einer Stimme, durch gleichgerichtet oder entgegengesetzte Bewegung beider geschehen kann), lässt sich ausnahmslos die übrige Stimme so führen, dass ein Grundtonwechsel stattfinden muss. Auch das den gebrochenen Klängen ähnliche Auswechseln zweier Töne lässt sich auf die gleiche Weise zu einem Harmoniewechsel zwingen, wenn es sich den ausgewechselten Intervallen um Terzen und Sexten handelt. Das gleichzeitige, gleichgerichte Springen zweier Stimmen, das nicht die in den vorerwähnten Fällen genannten gebrochenen Klänge erzeugt, sind zugelassen, wenn die übrige Stimme entweder liegenbleibt, stufenweise in beliebige Richtung geht oder entgegengesetzt springt. Dadurch macht die hinzugefügte Stimme den sonst überstarken einseitigen Impuls der Doppelgänge unschädlich. Für den dreistimmigen Gesamtklang gelten in den vorliegenden Aufgaben folgende Vorschriften, die über die vorhergehenden Stimmführungsregeln hinausgreifen:
Auch bei Verbindungen, in denen alle drei Stimmen sich in gleicher Richtung bewegen, ist einige Vorsicht geboten. Gerade sie sind es, in denen man besonders leicht gegen die Satzregeln verstößt.
Diese Art der Doppelungen stellen entweder seine allzustarke Stabilisation einzelner Töne oder eine zu auffällige harmonische Labilwirkung dar und widersprechen den Zielen dieser Übung. Auch in späteren Übungen sollte der schwache Quart-Klang nur benutzt werden, wenn sich gar kein anderer Ausweg findet. Und der Schluss ist der einzige Platz, wo die Tonverdreifachung ohne Gefahr geschrieben werden kann.
Die Aufeinanderfolge der harmonisch zwar sehr kräftigen, aber infolge des Mangels eines den Klang nach Dur oder Moll entscheidenen Tones nicht sehr harmonischen Klänge, mindert den harmonischen Wert der Verbindung.
Erfahrungsgemäß kommen viele Harmonieverbindungen vor, in denen sich wohl die Stimmen, nicht aber die Grundtöne bewegen. Es ist leicht einzusehen, dass solche Verbindungen lediglich als eine reduzierte Form der ersterwähnten reicheren, in ihren Harmonien fortschreitenden Verbindungen betrachtet werden können. Es ist darum nicht nötig, sie besonders zu üben. Kann man die lebendigeren Beispiele mit zwei verschiedenen Harmonien regelrecht und fehlerfrei herstellen, so sind diejenigen mit liegenbleibender Harmonie keinerlei Problem. |
Fehlerhinweise, Kommentare und Anregungen sind mir herzlich willkommen.
Letzte Aktualisierung: 2012-08-15