Liste der Tonsatzregeln
Teil 1 – Regeln für den zweistimmigen Satz
Erste Übung – Einstimmige Melodien
Regel 1 Der Höhenumfang der Vorlage beträgt ungefähr eine Oktave.
Regel 2 Die Längenausdehnung erreicht mindestens sieben, höchstens 14 Töne.
Regel 3 Der Anfangs- und Endton ist gleich.
Regel 4 Die Bewegungsrichtung ist nach spätestens vier Tönen zu wechseln.
Regel 5 Es sind nur bestimmte Fortschreitungen in den Schlusston erlaubt.
Regel 6 Eine Tonwiederholung ist verboten. Auch die Gruppe Ton–Wechselton–Ton ist zu vermeiden.
Regel 7 Akkordbrechungen sind zu vermeiden.
Regel 8 Sequenzen sind zu vermeiden.
Regel 9 Sprünge größer als die P5 dürfen nicht verwendet werden.
Regel 10 Zwei Sprünge in gleicher Richtung sind verboten.
Regel 11 Mehr als zwei Sekundschritte in gleicher Richtung sind zu vermeiden.
Regel 12 Vermeide alterierte Fortschreitungen.
Regel 13 Chromatik ist unstatthaft.
Zweite Übung – Einfache Zweistimmigkeit
Regel 14 Als Vorlage dient eine einstimmige Melodie nach den Vorschriften der ersten Übung.
Regel 15 Die zweite Stimme wird nach denselben Richtlinien hergestellt, die für die Vorlage gelten. Allerdings werden einige Vorschriften etwas gelockert.
Regel 16 Stimmkreuzungen sind verboten.
Regel 17 Der Stimmabstand richtet sich nach den besetzten Stimmen. Für benachbarte Stimmlagen ist der Abstand bis zur M10 unbedenklich, in Ausnahmefällen darf dieser auch bis zur P12 erweitert werden.
Regel 18 Anfangs- und Endklang haben ihren Grundton unten.
Regel 19 Vorsicht ist geboten bei Klängen mit obenliegenden Grundton.
Regel 20 Wird der Schlussklang mit einer P4▴ oder P5▾ erreicht, endet die andere Stimme in Sekundbewegung. Umgekehrt darf die zweite Stimme die in der Regel 15 gestatteten vorletzten Töne nur dann bringen, wenn in der Vorlage zwischen vorletzten und letzten Ton ein Sekundschritt liegt.
Regel 21 Die Zerlegung von tritonusbehafteten und übermäßigen Klängen, die auf beide Stimmen verteilt sind, ist nicht statt­haft. Auch Intervallauswechselungen, Tontausch und die Tritonusführung sind zu vermeiden.
Regel 22 Das gleichzeitige, gleichgerichtete Springen ist verboten.
Regel 23 Es dürfen keine Querstände erklingen.
Regel 24 Offene P1-, P8-, P5- oder P4-Parallelen dürfen nicht verwendet werden.
Regel 25 Verdeckte P1- und P8-Fortschreitung sind nicht erlaubt.
Regel 26 Verdeckte P5- und P4-Fortschreitung sind dann verboten, wenn der Schritt aus einem Zusammenklang erfolgt, der kleiner ist als der Zielklang.
Regel 27 M3- und b6-Parallelen sind nur bei b2-Schritten unbedenklich.
Regel 28 Die Höhen- und Tiefpunkte beider Stimmen sollen nicht zusammenfallen.
Dritte Übung – Erweiterte Melodik I
Regel 29 Sprünge dürfen nur von solchen Tönen ausgehen oder solche zum Ziel haben, welche der anderen Stimme als Ergän­zung zu einem Intervall der Gruppe A dienen.
Regel 30 Bei bewegten Melodien ist darauf zu achten, dass sie auf kurzen Strecken keine deutlich bemerkbaren Septim- oder Nonenabstände bilden.
Regel 31 Der sekundmäßige W hat höchstens denselben oder kleineren rhythmischen Wert wie sein Ausgangston und steht auf schlechteren Taktteil.
Regel 32 Beim D sind chromatische Führungen erlaubt.
Regel 33 Der D besitzt den gleichen oder geringeren, selten größeren Klangwert als der Ausgangs- oder Zielklang.
Regel 34 Bildet innerhalb einer Reihe von D einer von ihnen mit der anderen Stimme ein Intervall der Gruppe A, so darf er nur geringeren rhythmischen Wert haben, um seinen Durchgangscharakter nicht zu verlieren.
Regel 35 In der Regel steht der D auf unbetonter Taktzeit.
Regel 36 Eine größere Anzahl von D erweckt leicht den Eindruck diatonischer oder chromatischer Tonleiterausschnitte.
Regel 37 Die zweite Stimme sollte sich einer motivischen Ausgeglichenheit befleißigen, um eine leichtverständliche Linie zu erzielen.
Vierte Übung – Erweiterte Melodik II
Regel 38 Der ¯V steht in der Regel auf einem betonten Taktteil, immer aber auf einem wichtigeren Taktteil als seine Auflösung. Seine Vorbereitung umfasst ganz oder zum Teil die ihm vorangegangene Zähleinheit des Taktes.
Regel 39 Die Auflösung erfolgt nach unten, und zwar durch einen M2- oder b2-Schritt.
Regel 40 Der Zeitwert der Vorbereitung soll nicht geringer sein als die Hälfte vom Zeitwert des Vorhaltes selbst.
Regel 41 Durch ¯VV entstehende nachschlagende Parallelen von P1, P5 und P4 werden als echte Parallelen angesehen und sind deshalb verboten. Auch nachschlagende verdeckte Parallelen dieser Art sind zu vermeiden.
Regel 42 Die V¯ steht stets auf schlechtem Taktteil und ist von kurzem Zeitwerte.
Fünfte Übung – Grundzüge des Melodiebaus
Regel 43 In allen Melodien schliessen sich Töne zu harmonischen Zellen zusammen, die aus gebrochenen Intervallen von Zu­sammenklängen der Gruppe A bestehen. Die Zellen können scharf voneinander getrennt sein, sie können aber auch so angeordnet sein, dass sie ineinander greifen oder dass kleinere in größere eingebettet sind. Die Bedeutung der Zellen wird durch die rhythmische Stellung und den Zeitwert ihrer Bestandteile beeinflusst.
Regel 44 Außer den harmonischen Zellen kommen in den Melodien größere harmonische Zusammenschlüsse vor. Sie bestehen aus gebrochenen Dreiklängen oder anderen leichtverständlichen gebrochenen Akkorden. Diese zusammengeschlos­senen Harmoniegruppen werden als harmonische Felder bezeichnet.
Regel 45 In Melodien gibt es zwei Arten von Tongruppierungen. Die verzögernde Gruppierung wird durch harmonische Zellen und Felder gebildet, die beschleunigende Gruppierung rührt von den verwendeten melodischen Floskeln.
Regel 46 Um einen Melodieverlauf zu organisieren, dass er selbst beim kompliziertesten Aufwand von Tönen, Schritten und Rhythmen verständlich erscheint, bringt man seine Hauptpunkte in einer Reihe auf- und absteigender Sekundschritte an (Sekundgang). Sekundgänge können an jeder beliebigen Stelle der Melodie anfangen und aufhören, sie brauchen nicht ununterbrochen durchgeführt werden.
Regel 47 Lassen sich mehrere Sekundgänge feststellen, so sind diejenigen unter ihnen, deren einzelne Punkte auf die wichtig­sten Töne der Melodien fallen oder auf den Haupttaktzeiten stehen, als die wertvolleren anzusehen.
Regel 48 Meist wird ein Sekundgang aus der Reihe der oberen melodischen Spitzentöne gebildet werden können, ein zweiter wird die Reihe der tiefsten Melodietöne umfassen. Zwischen beiden können noch andere Sekundgänge verlaufen oder in die Hauptgänge übergehen.
Regel 49 Der Abstand zwischen den Tönen eines Sekundganges kann beliebig groß sein. Hier kann der Gang aus drei aufeinan­derfolgenden Tönen gebildet sein, dort können zwischen seiner Töne mehrere Takte liegen. Eine längere Folge gleich­mäßiger Abstände nimmt der Melodie alle Spannung, zu viele unmittelbar aufeinanderfolgende Sekundschritte wirken als Tonleiter, nicht als Sekundgang.
Sechste Übung – Erweiterte Melodik III
Regel 50 Löst sich ein in der Oberstimme liegende ¯V nach oben auf, so kann das Auflösungsintervall eine P1, P8, P5, M3 oder b3 sein. In allen Fällen muss die Auflösung durch einen Sekundschritt erfolgen.
Regel 51 In lebhafteren Zeitmaßen fallen diejenigen ¯V, bei deren Auflösung beide Stimmen nach oben in P1, P8 oder P5 schrei­ten unter das Verbot der Regel 22.
Regel 52 ¯V, die sich in der Unterstimme durch einen Sekundschritt nach oben auflösen, können eine P1, P8, P5, b6 oder M6 als Auflösungsintervall haben.
Regel 53 Zwischen dem ¯V und seiner Auflösung – gleichgültig, ob diese aufwärts oder abwärts geschieht – können ein Ton oder mehrere eingeschoben werden. Diese Einschiebsel stehen meist im Sekundgang zum ¯V selbst oder zur Auflösung. Bei mehr als einem eingefügten Ton wird entweder der Ton des ¯V wiederholt werden oder der Auflösungston vorausge­nommen werden müssen, was für beide eine Schwächung ihrer Kraft bedeutet.
Regel 54 Der N¯ steht im Sekundabstand nach einem Zusammenklang der Gruppe A auf schlechter Taktzeit. Der nach ihm fol­gende Ton darf nur durch einen Sprung erreicht werden.
Regel 55 Der ¯N steht auf schlechter Taktzeit nach einem Zusammenklang der Gruppe A, von diesem durch einen Sprung ge­trennt. Den auf ihn folgenden Ton darf er nur mittels eines Sekundschrittes erreichen.
Regel 56 Der steht auf besserer Taktzeit als sein Folgeton (der zu einem Zusammenklang der Gruppe A gehört), ist von kur­zem Zeitwerte und wird mit einem Sprung verlassen. Bei ihm kann wenigstens zum vorangehenden Tone noch eine Se­kundbeziehung stehen.
Regel 57 Beim F ist auch diese Sekundbeziehung verschwunden. Er steht immer auf schlechterer Taktzeit als sein Folgeton (der zu einem Zusammenklang aus der Gruppe A gehört), wird mit einem Sprung erreicht und einem Sprung verlassen.
Siebente Übung – Tonale Zusammenschlüsse
Regel 58 Alle harmonischen Abläufe lassen sich auf eine melodische Linie zurückführen, die aus den Grundtönen der einzelnen Zusammenklänge gebildet wird. Sie heisst Stufengang.
Regel 59 Der Stufengang gruppiert sich um ein T, dieser wird bestimmt durch mehrfaches Auftreten eines Tones, durch Stüt­zung mit seiner D, in zweiter Linie mit seiner S.
Regel 60 Dem Anfangs- und dem Schlusston eines Stufenganges kommt besondere Bedeutung zu. Das formale Gewicht beider ist für den tonalen Zusammenhang noch wichtiger als die Bestätigung des T durch innerhalb der Ganges mehrfach auf­tretende gleiche Töne.
Regel 61 Der TT-Schritt kann im Stufengang vorkommen, wenn er als Bestandteil einer Sequenz auftritt oder einer seiner Töne als Nebenton eines Quint- oder Quart-Schrittes erscheint.
Regel 62 Stufengang und Bezeichnungen der Melodieformeln schliessen einander aus. Jeder Ton, der nicht mit einer Formel­bezeichnung versehen ist, gehört zu einem selbständigen Intervall, dessen Grundton im Stufengang aufzutreten hat.
Achte Übung – Tonalität von Melodien
Regel 63 In Drei- und Mehrklängen ist der Grundton des in ihnen enthaltenen besten Intervalls der Grundton des Gesamt­klanges.
Regel 64 Enthalten die Dreiklänge des Stufenganges den TT, so lässt sich kein Grundton ermitteln und deshalb sind sie noch vorerst verboten.
Regel 65 Die aus den harmonischen Feldern – und wenn nötig, Zellen – gezogenen Stufengänge müssen sinnvolle melodische Linien ergeben. Zum Unterschied vom Stufengang der Zusammenklänge nennt man sie Melodiestufengang.
Teil 2 – Regeln für den dreistimmigen Satz
Zwölfte Übung – Dreistimmige Klänge
Regel 70 Für den dreistimmigen Tonsatz verwenden wir ausschließlich die Grundklänge: Imaj, Imin, bVImaj, VImin, IVmaj und IVmin.
Dreizehnte Übung – Klangverbindungen
Regel 71 Offene P4-Parallelen sind nur zwischen den beiden Oberstimmen und den beiden Unterstimmen unbedenklich zuge­lassen.
Regel 72 Verdeckte P4-Parallelen sind einwandfrei.
Regel 73 Offene P5-Parallelen bleiben verboten.
Regel 74 Verdeckte P5-Parallelen sind nur zwischen den beiden Oberstimmen und den beiden Unterstimmen gut.
Regel 75 Offene P1- und P8-Parallelen bleiben verboten.
Regel 76 Verdeckte P8-Parallelen sind nur bedingt zugelassen.
Regel 77 M3- und b6-Parallelen sind auch bei M2-Schritten erlaubt.
Regel 78 Die Zerlegung von Dreiklängen oder Tritonusakkorden ist dann erlaubt, wenn ein Harmoniwechsel stattfindet.
Regel 79 Gleichzeitige, gleichgerichtete Sprünge aller drei Stimmen stören das Gleichgewicht des Satzes.
Regel 80 Wir verzichten auf die Verdreifachung eines Tones und auf Tonverdoppelungen, an denen eine P4 beteiligt ist.
Regel 81 Einem mit einem seiner Töne verdoppelten Quint-Klang muss einer der sechs echten dreistimmigen Grundakkorde oder einer der zweistimmigen Dur- und Mollklänge vorangehen und nachfolgen.
Regel 82 Zwei aufeinanderfolgende Klängen sollen nicht den gleichen Grundton haben.
Vierzehnte Übung – Einfachste dreistimmige Sätze
Regel 83 Zwei Klänge gleicher Art sollen nicht ohne Anwendung der Gegenbewegung aufeinanderfolgen.
Regel 84 Anfang und Schluss verwenden Klänge, deren Grundton in der Unterstimme liegt.
Regel 85 Anfangs und Schlussklang haben den gleichen Grundton.

Fehlerhinweise, Kommentare und Anregungen sind mir herzlich willkommen.

Letzte Aktualisierung: 2012-08-15